Juni 2012
Der Satz, mit dem in diesem Sommer alles beginnt, wird mir mitten in
unserem Streit einfach so hingeschleudert:
„Mum, chill mal deine Aura.“
Der Zorn vergeht mir augenblicklich; dafür kommt das Lachen. Etwas
Besseres kann mein Sohn von mir nicht verlangen, als entspannt das Ding
Pubertät zu erwarten – mit offenen Armen.
(Wo nur habe ich das Buch über die Pubertät nur hin verräumt? Ach ja:
Vor einem Jahr ausgelesen, weise gelächelt und einer Freundin geschickt.
Ein grober Fehler...)
November 2012
Es riecht fremd, wenn ich die Wohnung betrete. Und alle Bemerkungen
dazu perlen am öligen Film der Ignoranz meines Sohnes ab. Die
Veränderung hat nicht nur Worte und Launen, sie hat auch einen Duft.
Zwei Tage später zeigt mir mein Sohn stolz ein Spray, das sein bester
Freund ihm geschenkt hat. Auf der Dose prangt ein weißes Bunny mit Fliege.
Jetzt wird die Sache doch noch schlimm.
Mein Sohn sprüht fleißig. In haarlose Achseln und auf Pullover. Es riecht
nach morgendlich überfüllter U-Bahn; nach einem Tag nasser Novemberhunde.
August 2013
"Das schmerzt ganz sicher," sagt der milde Arzt zu meinem Sohn, "die
Knochen wachsen gerade schneller als deine Sehnen".
Man kann es quasi hören, wie es dehnt, nach oben und seitwärts sich
streckt.
Sehnen und sehnen. Das Kind. Kein Kind mehr. Mehr.
Dazu die Stimme, die neue Oktaven nehmen will und zurück geworfen
wird in die Unstimmigkeit. Die Musiklehrerin bittet meinen Sohn mitten in
einem Lied um Abbruch; einsichtige Gnade für das brüchige Terrain. Der
ganze Orchestersohn klingt schief.
"Mum? Rührei! Bananenmilch!" Dazu rudern die Arme in
Schlagzeugermanier. Wir sitzen mitten im Konzert.
Oktober 2014
Das Zimmer gleicht einem Wasserflaschen-Klamotten-Schulzeug-Abwurfplatz,
auf schmalem Trampelpfad gerät man ins Auge des Hurrican. Dort ist es still,
gelassen, behaglich gar. Wir schließen die Augen, wir ignorieren. Wenn wir sie
wieder öffnen, behalten wir einfach den Tunnelblick.